Sieben Jahrzehnte liberale Parteigeschichte

Dr. Victor Niemeyer lud bereits Pfingsten 1945 ihm von früher her bekannte Liberale in seine Wohnung Wolfsbachweg 22 in Bredeney ein, um die Gründung einer liberalen Partei (Namensvorstellung "Liberaldemokratische Partei") zu besprechen. Spätere Treffen fanden bei Franz Blücher statt.

 

Dr. Niemeyer war bereits vor der Jahrhundertwende Ratsherr der Liberalen und wurde am 23. September 1929 für 30 Jahre Ratszugehörigkeit geehrt. Er erlebte noch den Höhepunkt der Essener Liberalen, die 1913 mit 40 Ratsmitgliedern (bei 20 Zentrum- und 2 SPD-Ratsmitgliedern) die absolute Mehrheit hatten.

Der am 8. Dezember 1863 geborene Dr. Niemeyer wollte mit seinen 82 Jahren nicht für den Vorstand kandidieren.

Die von Dr. Niemeyer eingeladenen Liberalen gründeten noch im September die "Liberaldemokratische Partei" und wurden ihre ersten Mitglieder; es waren außer ihm Otto Adams von der ehemaligen liberalen Arbeiterbewegung, der Bankier Franz Blücher, Hans-Wolfgang Rubin, Heinz Ries, Günther Perl, Dr. Herbert Girardet und Georg Roth. Kurz darauf kamen noch der Kruppianer Paul Jaeger, Dr. H.W. Beutler und der Apotheker Erich Leimkugel hinzu.

 

Im November 1945 gaben sie sich unter dem Namen "Liberaldemokratische Partei" ein Programm, das sie auf einem Flugblatt der Essener Bevölkerung mitteilten. In einem Protokoll der britischen Besatzung vom 24. Dezember 1945 wurde die Partei bereits genannt. Liberaler Vertreter in dem von den Briten eingesetzten 13er Ausschuß wurde Dr. Niemeyer; einer seiner Vertreter war Dr. Gustav Heinemann.

Eine genaue Datierung der offiziellen "Geburt" der Essener FDP ist schwierig, weil der Genehmigungsbescheid der britischen Besatzung nicht vorliegt. Eine öffentliche Gründungsfeier fand am 7. April 1946 im Atrium statt. Ihr ging ein Kreisparteitag am 30. März 1946 im Grugahof voraus. Auf diesem wurden folgende Vorstandsmitglieder gewählt:

 

1. Vorsitzender: Franz Blücher

Beisitzer:
Ilse Wagner
Heinz Ries
Hans-Wolfgang Rubin
Paul Jaeger
Georg Roth

Ehrenvorsitzender: Dr. Victor Niemeyer

Die Essener FDP in tabellarischer Übersicht

Adressen der FDP-Geschäftsstellen:

1946 Pelmannstraße 37
1947 - 1953 Kapuzinergasse 8
1953 - 1957 Zweigertstraße 50
1957 - 1959 Dammannstraße 61
1959 - 1961 Brunnenstraße 61
1961 - 1964 Dreilindenstraße 89
1964 - 1968 Viehofer Straße 2
1968 - 1974 Lindenallee 68
1974 - 1984 Lindenallee 73
1984 - 1998 Lindenallee 75
1998 - 2000 Bismarckstraße 30
2000 - 2007 Bismarckstraße 22
2007 - 2013 Seidlstraße 2
ab 2014 Alfredistraße 31

Kreisvorsitzende:

1946 Franz Blücher
1947 - 1948 Paul Jaeger
1948 - 1956 Hans-Wolfgang Rubin
1956 - 1960 Dr. Anton Pauly
1960 - 1966 Hans-Hermann Denkhaus
1966 - 1970 Dr. Carl Jennen
1970 - 1985 Karlheinz Kuhs
1985 - 1992 Ulrich Müting
1992 - 1996 Dr. Max Kleensang
1996 - 2000 Georgia Kaiser
2000 - 2002 Dr. Thomas Geer
seit 2002 Ralf Witzel


Die Ortsverbände

Bis 1975 hatte die Essener FDP eigentlich keine streng begrenzten Ortsverbände außer Süd, Ost und teilweise auch West. Erst mit Beginn der kommunalen Neuordnung und der Einführung von neun Stadtbezirken ab 1975 haben die Liberalen zum größten Teil auch diese Einteilung für den Kreisverband übernommen, aber mit folgenden Besonderheiten: Im Norden bilden die zwei Stadtbezirke V und VI zusammen nur einen Ortsverband; im südlichsten und mitgliederstärksten Stadtbezirk IX (Ruhrtal) gibt es gleich drei selbständige Ortsverbände jeweils für die Stadtteile Bredeney/ Schuir, für Kettwig sowie für Werden/ Heidhausen/ Fischlaken.

Der Bezirksverband

Während der FDP-Landesverband NRW, dem zunächst die Landesverbände Nord-Rheinprovinz und Westfalen vorausgingen, seit seiner Gründung im Mai 1947 seinen Sitz in Düsseldorf hatte und die Grenzen seines Geltungsbereiches niemals veränderte, befand sich die Organisationsebene zwischen Land und Kreis im ständigen Wandel.

Der für Essen zuständige Bezirk war:

1947 - 1952 Bezirk Rechter Niederrhein:
Essen, Bottrop, Dinslaken, Duisburg, Gladbeck, Mülheim, Oberhausen, Rees.
1947 - 1950 Vorsitzender: Paul Jaeger (Essen)

1952 - 1964 Bezirk Ruhr:
17 Kreisverbände von Duisburg bis Hamm.
1953 - 1959 Vorsitzender: Dr. Ernst Achenbach(Essen)
1959 - 1964 Vorsitzender: Dr. Albert Aschoff (Essen)

1964 - 1975 Bezirk Ruhr-West:
Bottrop, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Mülheim, Oberhausen.
1970 - 1973 Vorsitzender: Dr. Ernst Achenbach

seit 1975 Bezirk Ruhr:
Bochum, Bottrop, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim, Oberhausen und Recklinghausen.

1980 - 1992 Vorsitzender: Klaus Beckmann (Essen)
1992 - 1998 Vorsitzende: Georgia Kaiser (Essen)
1998 - 2010 Vorsitzender: Dr. Andreas Reichel
seit 2010: Ralf Witzel

Essener Mitglieder des Landesvorstandes waren:

Franz Blücher,
Hans-Wolfgang Rubin,
Dr. Ernst Achenbach,
Klaus Beckmann,
Karlheinz Kuhs,
Georgia Kaiser,
Jürgen Krumland

 

aktuelles Landesvorstandsmitglied seit 1994:
Ralf Witzel

Essener Mitglieder des Bundesvorstandes waren:

Franz Blücher,
Hans-Wolfgang Rubin,
Klaus Beckmann


Hans-Wolfgang Rubin, der nie ein parlamentarisches Amt anstrebte, hatte großen Einfluß in der Partei.

 

In seiner Wohnung trafen sich 1955 die "Jungtürken" der Partei (Scheel, Döring, Weyer und Rubin), um den Sturz von Ministerpräsident Arnold vorzubereiten. So konnte über den Bundesrat eine von der CDU geplante Wahlgesetzänderung zum Schaden der FDP verhindert werden.

 

Vertreter im Rat der Stadt Essen

1946 - 1948

Dr. Victor Niemeyer, Fraktionsvorsitzender

1952 - 1956

Paul Jaeger, 2. Bürgermeister
Anton Pauly, Fraktionsvorsitzender
Wilhelm Eggeling
Klaus Smitmans
Dr. Rudolf Stuchtey
Leo Hoffmann, ab 1.5.1955

1956 - 1960

Paul Jaeger, 2. Bürgermeister
Dr. Anton Pauly, Fraktionsvorsitzender und ab Juli 1958 2. Bürgermeister
Leo Hoffmann
Else König
Wolfgang Fuhr, ab 8.7.1957

1960 - 1964

Dr. Anton Pauly, 2. Bürgermeister bis 14.3.1963
Dr. Albert Aschoff, bis 7.12.1961; ab dann MdB
Dr. Hendrik Genth, Fraktionsvorsitzender
Else König
Konrad Steiler, ab 14.12.1961; 2. Bürgermeister ab 14.3.1963

1975 - 1979

Karlheinz Kuhs, 2. Bürgermeister
Klaus Beckmann, Fraktionsvorsitzender
Hanno Achenbach
Karlheinz Everding

1989 - 1994

Georgia Kaiser, Fraktionsvorsitzende
Werner Bartoschek
Dr. Thomas Geer
Gerd Vogt

 

1999 - 2004

Hans-Peter Schöneweiß, Ratsgruppenvorsitzender
Klaus Budde

2004 - 2009

Hans-Peter Schöneweiß, Fraktionsvorsitzender
Klaus Budde
Dr. Thomas Geer

2009 - 2014

Hans-Peter Schöneweiß, Fraktionsvorsitzender
Klaus Budde
Barbara Rase
Andreas Hellmann
Ingolf Homberger

ab 2014

Hans-Peter Schöneweiß, Fraktionsvorsitzender
Klaus Budde (bis 2017, Nachfolgerin Petra Hermann)
Andreas Hellmann (bis 2019, Nachfolger Eduard Schreyer)

Mandatsübertritt zur FDP:  Dr. Karlgeorg Krüger

 


Außerdem ist es seit 1975 möglich, daß in einigen Ratsausschüssen sogenannte sachkundige Bürger die Fraktionsmitglieder entlasten und Ausschußsitze (stellvertretend) wahrnehmen.

Auch nach der Kommunalwahl 2014 wirken diverse sachkundige Bürger der FDP in Ratsausschüssen mit. So entsteht eine um diese Ausschußmitglieder erweiterte Ratsfraktion mit mehreren Dutzend Mitgliedern.

Stadtbezirksvertretungen

Bis 1975 gab es für jeden Stadtteil einen Bürgerausschuß, in den eine Partei nur dann Vertreter entsenden konnte, wenn diese in den Rat eingezogen ist. Mit der kommunalen Neuordnung hat die Stadt Essen neun Stadtbezirke eingerichtet. Das jeweilige Kommunalwahlergebnis in einem Bezirk entscheidet darüber, ob eine Partei Bezirksvertreter entsenden kann. Aktuell haben wir in fünf Stadtbezirken einen Bezirksvertreter: in Mitte, Süd, Borbeck, Ost und auf der Ruhrhalbinsel. 

Von 1954 bis 1958 war auch Dr. Heinz Lange bis zu seinem Umzug nach Mülheim als Vertreter der Essener FDP Fraktion Mitglied der FDP-Landtagsfraktion.

Seit 2000 ist Ralf Witzel Mitglied des Landtags. Bis 2005 war er bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, und von 2005 bis 2012 ist er deren Parlamentarischer Geschäftsführer gewesen. Seit Beginn der 16. Wahlperiode im Juni 2012 ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Haushalt, Finanzen und Personal.

Bundestagsabgeordneter der Essener FDP
Franz Blücher war unser erster Bundestagsabgeordneter, und zwar von 1949 bis zum 23. Februar 1956. Er war Vizekanzler in der ersten Regierung Adenauer.

Mitglied des Bundestags war auch Paul Jaeger für kurze Zeit am Ende einer Legislaturperiode, und zwar als Nachrücker vom 22. Januar bis 7. September 1953.

Am längsten, nämlich 19 Jahre lang, vertrat uns in Bonn Dr. Achenbach: von 1957 bis 1976. Er war wichtiger Berater von Walter Scheel in dessen Außenministerzeit, besonders in Moskau und Warschau, aber auch bei seinem ersten Auftritt in der UNO-Vollversammlung.

Von 1961 bis 1965 war Dr. Albert Aschoff unser zweiter Bundestagsabgeordneter.

Klaus Beckmann gehörte dem Bundestag von 1980 bis 1994 an und verzichtete 1994 aus gesundheitlichen Gründen auf eine erneute Kandidatur. Er starb noch im gleichen Jahr kurz vor seinem 50. Geburtstag. Klaus Beckmann war von 1983 bis 1989 Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und von 1989 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

Landtagsabgeordnete der Essener FDP

Dr. Ernst Achenbach war der erste Landtagsabgeordnete der Essener FDP, dem es gelang, am 16. September 1950 in den Landtag einzuziehen. Am 15. September 1957 wurde er in den Bundestag gewählt. Bis zur Landtagswahl am 6. Juli 1958 nahm er beide Mandate wahr.